Hallo an alle,
hoffentlich geht es euch gut! Bei mir ist alles so wie immer – fast! Am 1. November sind Mara und ich nämlich aus dem Kolping-Guesthouse aus- und bei Gastfamilien eingezogen.
Ich wohne jetzt bei dem Vorsitzenden der Kolpingfamilie Mwanga, James. Außer ihm wohnen dort noch seine Tochter Sisilia (17) und seine Enkelin Scolar (13). Aber Scolars Mutter wohnt ganz in der Nähe (in einer sehr kleinen Wohnung) und kommt jeden Abend vorbei. Scolars kleine Schwester Serafina (3 und ein absoluter Engel) ist tagsüber auch bei uns und geht oft nur abends zum Schlafen mit ihrer Mutter nach Hause. Meine Gastmutter Mama Lanta (ihr ältestes Kind heißt Lanta, deshalb Mama Lanta) ist Krankenschwester und arbeitet in einer Dispensary, die mit dem Bus ein paar Stunden entfernt ist. Ich verstehe mich auch sehr gut mit ihr, deshalb ist es schon schade, dass sie nur etwa einmal im Monat für ein paar Tage nach Hause kommt.
Zurzeit ist noch ein anderes Enkelkind hier – Patrici (2 und ein absolut verzogenes „Monster“). Er verbringt den Tag damit, die Tiere zu ärgern und die Menschen zu nerven.
Ansonsten sind dazu immer noch einige Jungs (vielleicht so Anfang 20) auf dem Hof und kümmern sich um die Tiere. Darunter ist einer, der es sehr lustig findet, mich immer „nyanya“ zu nennen, also Tomate. Anja, mit „j“ geschrieben, sprechen die Tansanis nämlich „Anscha“ aus, vgl. „Kilimanjaro“. Also schreiben sie „Anya“, was ja wirklich fast das gleiche ist wie „nyanya“. Vielleicht sollte ich ihm mal sagen, dass sein Name –„Imma“ – auf Deutsch „Saa zote“ (=immer) bedeutet. Mara hat es da auch nicht leichter, „Mara“ auf Suaheli heißt nämlich „mal“, „mara moja“ einmal.
Ach ja, Tiere. Davon gibt es nämlich richtig viele: Meine Familie hat etwa 20 Kühe, ungefähr 10 Kälber, 18 Ziegen, 5 oder 6 Hunde, einige Katzen und unzählige Hühner mit Nachwuchs. Und Kakerlaken auf dem Klo, was eigentlich nur ein Loch im Boden ist.
Dass die Familie so viele Tiere hat, bedeutet, dass sie verhältnismäßig reich für hier sind, aber eigentlich nach unseren Maßstäben, immer noch eher arm… Wie alle hier. Singida Region (in der Mwanga liegt) ist eine der ärmsten Gegenden Tansanias, weil sie so trocken ist. Arbeit haben hier auch wenige und es gibt sehr viele Analphabeten. Außerhalb Mwangas, weiter im Busch wird die Analphabetenquote auf 80% geschätzt! Mir fällt das auch bei meiner Arbeit in der Krankenstation auf: Viele Frauen „unterschreiben“ mit dem Daumenabdruck.
In meiner Familie fühle ich mich sehr wohl. Alle sind um mich bemüht und sehr nett. Nur halten sie mich als Mzungu für sehr „laini“ (=weich), was bedeutet, dass mir die leichtesten Arbeiten abgenommen werden. Was ich natürlich total blöd finde!
Ein Beispiel: Sonntagnachmittag, meine Gastmama wäscht gerade Laken und Decken und fragt mich, ob meine auch zu waschen seien. Ich sage, ja, warum nicht und gehe ins Haus, um sie zu holen. Draußen nimmt sie mir die Wäsche dann mit den Worten „du kannst jetzt wieder gehen und dich ausruhen!“ ab. Daraufhin diskutieren wir, wer von uns jetzt meine Bettlaken wäscht, denn natürlich kann ich das auch selbst und will mich nicht bedienen lassen. Nach etwa 10 Minuten darf ich es auch wirklich selbst tun. Aber der Eimer wird mir gebracht, der ist ja zu schwer. Also wasche ich fröhlich vor mich hin, als James kommt und auf Kiraqw (der in meiner Familie und in Mwanga häufig gesprochenen Stammessprache) irgendetwas zu Mama Lanta sagt. Ich verstehe natürlich kein Wort. Sie packt daraufhin meine Sachen und stellt sie etwa 20 Meter entfernt wieder ab. Da wären, wie ich später erfahren habe, nämlich manchmal Bienen, in deren Nähe es für mich selbstverständlich viel zu gefährlich ist. Klar, in Deutschland gibt es keine Bienen und ich bin ja schon sehr laini.
Oder eine andere Situation: Meine Familie unterscheidet bei dem Wasser, das in Tonnen vor und in der Küche steht, zwischen Wasser zum Kochen, zum Duschen und zum Wäsche waschen. Ich komme am 2. Tag zu meiner Gastschwester Sisilia, deute auf eine Tonne und frage, ob ich das Wasser denn zum Duschen nehmen dürfte. Sie antwortet nur „warte kurz!“ und verschwindet. Ich warte also. Irgendwann macht sie sich wieder an ihre Arbeit und ich frage nach, was denn jetzt mit dem Wasser sei. Ja, das habe sie mir schon in die Dusche getragen. Und ich sollte doch bitte gleich gehen, das Wasser sei nämlich warm… Kein Mensch duscht in Mwanga mit warmem Wasser!!
Aber grundsätzlich ist das ja alles nur lieb gemeint und dadurch, dass ich jeden Tag klar mache, keine Sonderbehandlung zu wollen, wird das auch immer weniger. Also, ich fühle mich hier sehr wohl und gut aufgehoben. Ich hoffe, euch geht es im kalten Deutschland auch gut. Liebe Grüße aus dem heißen Tansania,
eure Anja